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Freitag, 27. Februar 2004

Antisemitismus, Bibeltreue


Ich zappe in eine österreichische Kultursendung über Mel Gibsons "The passion of the Christ".(auch bei Spon ständig Thema). (Warum hat er eigentlich nicht diesen Titel ins Aramäische, Griechische oder wenigstens Lateinische übertragen?) Der Moderator fragt eine Frau, deren Qualifikation mir unbekannt blieb, was denn dran sei an den Antisemitismusvorwürfen: Naja, das mit Judas sei schon ein bisschen übertrieben dargestellt, da sehe man Teufel, damit auch gar kein Zweifel daran bliebe, dass er in der Hölle lande. Aber sonst habe sich Gibson schon an die Bibel gehalten.

Das sind eine ganze Reihe von Fehlern. Der implizite Vorwurf, Gibson habe sich mit der Darstellung der Höllenfahrt von Judas nicht an die Bibel gehalten, ist nicht gerechtfertigt. Im Johannes-Evangelium behauptet Jesus, dass unter den Zwölfen ein Teufel sei und damit ist offensichtlich Judas gemeint.

Ich halte es auch für Quatsch, in einer negativen Darstellung von Judas Antisemitismus zu sehen. Wenn man an den Verrat von Jesus durch Judas glaubt, wie er in der Bibel beschrieben ist, darf man m.E. auch davon ausgehen, dass Judas in der Hölle schmort, ohne Antisemit zu sein (Vgl. auch hier).

Als antisemitisch könnte man die (unter historischen Gesichtspunkten mehr als wackelige) Darstellung bezeichnen, dass an der Hinrichtung Jesu zu 90 Prozent die jüdischen Hohepriester schuldig sind und man den Römern allenfalls vorwerfen könne, sich dem jüdischen Establishment als (sogar eher unwillige) Vollstrecker zur Verfügung gestellt haben. Diese Darstellung ist im Großen und Ganzen die Sichtweise der vier Evangelien. Daher ist es daneben, Gibson mit einem "Ansonsten hat er sich an die Bibel gehalten" vom Vorwurf des Antisemitismus freizusprechen. Man sollte eher sagen: Gibson hat das Evangelium (welches eigentlich?) oder einen Mix aus allen vier Evangelien detailgenau verfilmt, daher ist sein Film so antisemitisch, wie eben die Evangelien sind.

Lupenreiner Antisemitismus ist es aber, immer von der Schuld "der Juden" am Tode Jesu zu sprechen. Selbst wenn Kaiphas und seine Kollegen und meinetwegen noch der jüdische Mob im Jahre 30 n.Chr. in Jerusalem Jesus auf dem Gewissen hätten, wären das doch nicht "die Juden". Da meines Wissens in Gibsons Film keine anderen Juden außer den genannten und natürlich Jesus und die Apostel vorkommen, halte ich schon die vergröbernde Darstellung, der Film wärme erneut die These von der Schuld der Juden auf, für zumindest latent antisemitisch.


 

 
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last updated: 15.11.13, 08:21
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