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Freitag, 25. Februar 2011

Des Freiherrn neue Freikörperkultur


So ging der Kaiser unter dem prächtigen Thronhimmel, und alle Menschen auf der Straße und in den Fenstern sprachen: "Wie sind des Kaisers neue Kleider unvergleichlich! Welche Schleppe er am Kleide hat! Wie schön sie sitzt!" Keiner wollte es sich merken lassen, daß er nichts sah; denn dann hätte er ja nicht zu seinem Amte getaugt oder wäre sehr dumm gewesen. Keine Kleider des Kaisers hatten solches Glück gemacht wie diese.

"Aber er hat ja gar nichts an!" sagte endlich ein kleines Kind. "Hört die Stimme der Unschuld!" sagte der Vater; und der eine zischelte dem andern zu, was das Kind gesagt hatte. "Aber er hat ja gar nichts an!" rief zuletzt das ganze Volk. Das ergriff den Kaiser, denn das Volk schien ihm recht zu haben, aber er dachte bei sich: ,Nun muß ich aushalten.' Und die Kammerherren gingen und trugen die Schleppe, die gar nicht da war. (Hans Christian Andersen)

Es war einmal ein Freiherr, der gravierende Fehler begangen hatte, und dem Volke seine Reue ob dieser zeigen wollte. Er legte sein Jackett und seine Krawatte ab, zog die Schuhe aus, trat auf den Vorplatz seines Schlosses und sprach: "Nackt trete ich vor Dich, mein Volk, jetzt magst Du mich in all meiner Unzulänglichkeit und Fehlerhaftigkeit sehen." Und alle seine Hofschranzen und die Mehrheit des Volkes lobte ihn für seine Demut und die Rückhaltlosigkeit, mit der er sich zu seinen Makeln bekannte.

Es waren aber auch gar nicht so wenige, die riefen: "Aber Hose und Hemd hat er doch noch an. Die soll er auch noch ablegen, erst dann werden wir erwägen, ihm seine Fehler zu verzeihen. So verbirgt er doch noch fast alles von dem, was zu zeigen wirklich peinlich wäre."

Doch die Mehrheit des Volkes sprach zu der Minderheit: "Was habt ihr denn, er ist doch nackt! Er hat uns doch jetzt alles gezeigt. Nun lasst uns doch wieder zu Tagesordnung übergehen. Gibt es nichts wichtigeres als den Schniepel des Freiherrn?" Und sie sagten das nicht, weil ihnen jemand eingeredet hätte, dass sie dumm wären, wenn sie Hemd und Hose noch sähen. Sie sagten es nur, weil sie dem Freiherr, der im Volke sehr beliebt war, die Schmach ersparen wollten, sich vollständig zu entblößen. Und manche dachten auch bei sich: "Nun ist er doch ein Freiherr, und dass er sich vor dem Volke seines Jacketts und seiner Krawatte entledigt, ist doch gleichviel, als wenn sich unsereins nackt auf der Straße zeigen müsste."

"Aber er hat doch noch etwas an" beharrte die Minderheit. Doch die Mehrheit behauptete gar nicht mehr, dass der Freiherr nackt sei, sie sagte nur: "Was kümmert es uns, wir sind die Mehrheit. Und keiner muss sich ausziehen, wenn die Mehrheit es nicht will."


 

 
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last updated: 15.11.13, 08:21
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